Die „El Estrecho“ Loslass-Zeremonie in San Agustin
5. Dezember 2016Freiräume und Weitblick schaffen
27. Januar 2017
Unterwegs lernen und eine Reise zum Selbst
Die Natur ist stärker. Das ist der Schlüssel, der Code. Wenn man sich mit der Natur
anlegt, wird man zum Verlierer. Wir quälen uns durch Bogota raus, schon morgens
um 4 Uhr gibt es ein stop and go auf den Straßen. Ich denke an das Bibelzitat, das
uns seit Jahrtausenden begleitet: „Macht euch die Erde untertan“. Es funktioniert
nicht.
Entweder ist es ein Übersetzungsfehler oder es wurde falsch verstanden,
jedenfalls stecken wir fest, es wird immer offensichtlicher. Wir fahren mit zwei Autos
Richtung San Agustin. Yoleisa fährt uns bis Neiva, dort wartet Ariel auf uns und
übernimmt dann das Steuer. Gerardo sitzt neben ihr, Eva Maria und ich sitzen hinten.
Im anderen Auto sitzt Johny am Steuer, auf der Rückbank sitzen
Silvia und Yessica.
Wir fahren ohne Frühstück direkt los. Das Frühstück verspricht uns Gerardo in einem
der netten kleinen Dörfer an der Straße, wenn wir aus Bogota raus sind.
Das Nullsummenspiel verlassen
Ich denke wieder an das Nullsummenspiel. Das Nullsummenspiel ist eine Erfindung,
ein gemachtes Konstrukt und implementiertes Spiel auf diesem Planeten.
Die Gewinne der einen sind die Verluste der anderen, unterm Strich bleibt es bei null.
Das ist die Definition aus der Spieltheorie. Es bedeutet natürlich auch, dass der eine
nur gewinnen kann, wenn der andere verliert.
Wer hat das Nullsummenspiel erfunden?
Niemand, es gibt niemand, der oder die das Nullsummenspiel erfunden hat, es ist da.
Das ist nicht entscheidend, viel wichtiger ist die Frage: Wie kommt man
aus diesem Spiel raus, wie kommt man in eine Situation, in der beide gewinnen,
eine sogenannte Win-win-Situation? Oder sogar eine harmonische Balancierung für
alle Beteiligten.
Bei der Abstimmung zum Friedensvertrag ist die Antwort einfach, Frieden und Liebe.
Beide Parteien wollen letztendlich Frieden. Jetzt, nach dieser Abstimmung
wird wieder eine Auseinandersetzung befürchtet, deshalb wurde zunächst ein
Waffenstillstand zwischen den Parteien vereinbart. Das Spiel geht also weiter.
Gerardo sagt: „Es gibt Lösungen und diese werden sich auch manifestieren
und zeigen sich.“
Wie kommt man da raus? Wir hängen noch etwas verschlafen im Auto, zwölf
Stunden Fahrt liegen vor uns, Zeit genug mit Gerardo darüber zu sprechen.
Gerardo antwortet kurz und knapp: „Eine Absicht setzen!“ Das ruft weitere Fragen hervor:
„Wie mache ich das, wie setze ich eine Absicht, was ist überhaupt eine Absicht?“
Letztlich ist klar, was eine Absicht ist, aber Gerardos Antwort macht deutlich, dass wir
in einem weiten Feld gelandet sind: „Der physische Körper ist die verdichtete
Lichtpräsenz deiner Seele. Wir sind verdichtete Schöpfer und können mit einer
Absicht Licht in das Nullsummenspiel reinbringen. Lichtcodes aktivieren, am besten
an Kraftorten, wie San Agustin. Oder im eigenen Herzen.“
Beim Friedensvertrag, den die Kolumbianer abgelehnt haben, ist die Absicht klar,
Frieden. Es bringt also nichts, der einen oder anderen Seite zuzustimmen,
sondern mit der Absicht Frieden zu einer Lösung zu kommen.
Die Geschichte wird es zeigen.
„Es ist das Handeln aus der Präsenz. Die Natur ist präsent und Präsenz ist Erleuchtung.
Diese Präsenz, die wir gegenwärtig erzeugen wird Kolumbien den inneren Frieden bringen.“
Weiter fügt Gerardo hinzu, „wenn ich was aus der Präsenz
mache, verändern sich die Ereignisse. Vertraue es geschieht zum Wohle aller.“
Ok, ich handle aus der Präsenz, aber wie?
Den Großelterntempel aktivieren. Die eigene Mitte spüren. Die Ur-Sinne stärken.
Schaue Dir dieses Friedensritual an:
Ich wechsle das Thema und frage mal von einer ganz anderen Seite, warum der
Geschlechterkampf immer noch besteht? Bei seiner Antwort wird mir klar,
dass ich das Thema nicht wirklich gewechselt habe. Meine Frage beruht auf einem
Glaubenssatz, der Geschlechterkampf ist ein Nullsummenspiel und mit meiner Frage
habe ich deutlich gemacht, dass ich da mittendrin stecke. Also, wie komme ich aus
dem Nullsummenspiel Geschlechterkampf raus?
Es ist nicht nur mein Glaubenssatz, ich habe ihn von meinen Vorfahren übernommen,
die haben es auch schon geglaubt. „Alle Glaubenssätze in den Ahnenreihen,
von Anbeginn der Zeit, jetzt transformieren und harmonisieren.“ sagt Gerardo.
Wie weit geht die Vorfahrenlinie zurück, in der dieser Glaubenssatz das Leben der
Menschen bestimmt hat? Weiter als ich denken kann. Gibt es Glaubenssätze in der Zukunft?
Eine Absicht ist eine Energie. In dem Moment, wenn ich die Absicht setze, ein Ziel
formuliere, erzeuge ich Energie. Das ist mein Schöpfungsakt und die Energie lebt.
Diese Energie wird auch Elemental genannt. Jetzt kommt es darauf an, wie lange
dieses Elemental lebt, wie lange ich es am Leben halte, wie lange es mir dient oder
wie lange es mir das Leben schwer macht. Der Glaubenssatz mit dem
Geschlechterkampf ist nichts weiter als ein Elemental oder „Mem“, das schon
lange lebt, so lange, dass viele es für natürlich halten.
Für diesen Glaubenssatz ist eine kollektive Korrektur dringend erforderlich,
es dauert, bis diese Korrektur ihre Kreise zieht. Die ganz persönliche Korrektur
ist für jeden einzelnen direkt umsetzbar.
Genauso, wie ich ein Elemental erschaffen kann, kann ich es auch wieder auflösen,
wenn ich meine, dass die Zeit abgelaufen ist. Es ist ein Spiel und auch das
Nullsummenspiel ist letztlich ein Spiel, das nicht immer allen Spaß macht, außer es
handelt sich vielleicht um Fussball. Fussbal ist auch so eine Pendelenergie, die uns
vom Wesenskern ablenkt, vom wesentlichen SEIN.
Die Kunst ist eine klare und konkrete Absicht zu setzen. Was will ich wirklich?
Wie man das macht, ist unser Thema mit Gerardo für die nächsten paar hundert
Kilometer bis San Agustin.
Erkenne das Wechselspiel der Ereignisse, Objekte und Situationen!
Also, wenn ich eine Absicht setze, erschaffe ich ein Elemental. Dieses Elemental
verknüpft sich oder ich verknüpfe es mit Ereignissen von außen, mit einem Objekt.
Wir machen daraus ein Spiel. Ein bestimmtes Straßenschild, zum Beispiel das
Geschwindigkeitsschild 50 wird mit der Absicht verknüpft, ein gutes Frühstück zu
bekommen, oder, was natürlich interessanter ist, das Straßenschild mit der
Geschwindigkeitsangabe 80 verknüpfe ich mit der Absicht, ein flüssiges Bankkonto
zu haben. Ein Lichtcode, ein Symbol bekommt eine klare Absicht.
Ein Programm zu starten! Und bei Erreichung zu beenden und zu harmonisieren.
Eine Absicht ist ein bestimmtes Vorgehen, eine Entscheidung und ihre Umsetzung,
ein Schöpfungsakt. Ich zögere, diesen Schöpfungsakt wirklich zu vollziehen,
schließlich erschuf Gott die Welt, und wer bin ich? Gerardo gibt mir die Antwort: du
bist ein Schöpfer. Tatsache ist, dass ich erschaffe, der Unterschied besteht lediglich
darin, ob ich es bewusst oder unbewusst mache. Ich erschaffe mir meine Welt.
Eine etwas unangenehme Erkenntnis, wenn ich daran denke, mit wie vielen Problemen
ich mich schon herum geschlagen habe. Die habe ich mir als meine eigene
Schöpferin selbst besorgt. Ich kann mich von diesen weniger angenehmen, aber
selbst erschaffenen Elementale trennen. Dafür gibt es Schaltworte, Switchwords,
Befehle sozusagen.
Überspringen, trennen, verbinden, loslassen, beenden sind solche Schaltworte
mit denen ich den Elementalen sage, wo es langgeht. „Und sah, dass es gut war“, ist
auch ein Schaltwort. Für die Elementale der Selbstsabotage, also Glaubenssätze
wie ,ich kann nicht‘ usw. müssen schleunigst aufgelöst werden. Es ist wohltuend,
dass sich diese Möglichkeit erschließt, das Problem ist nur diese Elementale zu
entdecken und dann ans Licht zu zerren.
Zeit fürs Frühstück. Wir halten in einem der netten kleinen Dörfer mit den vielen
Restaurants und Läden an der Straße. Wir sitzen unter Palmen weiter hinten, auf der
Straße vorne brummen die Öltransporter vorbei. Kolumbien hat viel Öl, es ist
eigentlich ein reiches Land, an den Tankstellen gibt es allerdings die bekannten
Marken amerikanischer Unternehmen, eine kolumbianische Tankstelle haben wir
bisher nicht gesehen. Das heißt, die Kolumbianer zahlen für ihr eigenes Öl, es wird
Zeit für eine Wende.
Das Frühstücksangebot ist reichlich, die Absicht hat sich manifestiert. Es gibt
Tamales, das ist ein gefülltes Bananenblatt mit Reis und verschiedenen Fleischarten.
Es wird in heißem Wasser gekocht und sieht sehr verführerisch aus, ich entscheide
mich aber für das gewohnte Omelett. Während wir frühstücken, ziehen wir die
Karten. Ich ziehe an diesem Morgen „Sonnenreise“ und „Weihung in die Matrix“.
Erstaunlich, wie es mal wieder passt. Mit den Karten öffnen sich neue Tore, neue
Wahrnehmungen. Gerardo installiert diese neuen Energien, alles geht seinen
gewohnten Gang und die Fahrt geht weiter nach Neiva.
Neiva liegt auf 442 m Höhe, das sind fast 1500 m Höhenunterschied von Bogota,
das auf 2 800 m Höhe liegt. Neiva ist die Hauptstadt von der Provinz Huila. Seine
Gründung verdankt es den Konquistadoren, den Spaniern, die auf der Suche nach
dem El Dorado sich am Rio Magdalena nieder ließen. Das war im Jahr 1539. Pedro
de Anasco, der Anführer der Spanier verlangte Tribute von der einheimischen
Bevölkerung. Gaitana, die zusammen mit ihrem Sohn dem Volk der Yalcons
vorstand, verweigerte die Abgabe. Als Bestrafung wurde Gaitanas Sohn bei
lebendigem Leib verbrannt. Gaitana nahm Rache. Mit ihren Kriegern machte sie
einen Überraschungsangriff, tötete die spanischen Soldaten und stach Pedro de
Anasco die Augen aus. Sie schleppte ihn an einem Seil durch die Dörfer bis er starb.
Die Skulptur steht direkt am Rio Magdalena. Dort wartet Ariel schon auf uns.
Wir steigen zu ihm ins Auto, von Yoleisa müssen wir uns erstmal verabschieden.
Der Verkehr rauscht an dem Platz vorbei, die Straße ist kaum überquerbar. Auf dem
Platz selbst ist außer uns und einem Eisverkäufer niemand. Das stört den
Eisverkäufer nicht. er fährt laut klingeln mit seinem Wägelchen über den Platz vor
dem Denkmal. Ich wundere mich und dann wundere ich mich über die Frau, die auf
dieser verkehrsreichen Straße parkt, die Autos zum Ausweichen zwingt, in ihrem
Auto sitzt und telefoniert. Wir fahren los, da fällt uns ein Mann auf, der mit Hut und
Mantel völlig aus dem sonstigen sommerlichen Kleidungsstil heraus fällt.
Ich frage Eva, ob sie auch die Frau gesehen hat, die da mitten im Verkehr ihr Auto
parkt und telefoniert. Es war nicht zu übersehen und Gerardo antwortet kurz:
„Wir sind in einer Transitzone“. Eine was? Und dann fügt er noch hinzu: „Es findet
jetzt ein Transformationswechsel statt.“
Ein Transformationswechsel bietet Raum für neue Möglichkeiten, wichtig ist allerdings,
dass man in der Transitzone nicht hängenbleibt, also nicht in Kontakt geht mit diesen
außergewöhnlichen Erscheinungen. Letztlich ist es wie im Flughafen, in der Wartehalle,
in der man auch nicht bleiben will.
Also, es geht weiter, es manifestieren sich neue Lebensvarianten, für die Elementale
ist eine Grundreinigung angebracht, das Elemental „reichliches Frühstück“ kann abtreten
oder sich auflösen oder so was in der Art. Der Transformationswechsel zeigt sich
schnell, die Landschaft nimmt uns den Atem. Eva und ich, wir hängen mit unseren
Fotoapparaten am Fenster und machen ein Bild nach dem anderen, jede auf ihrer
Seite, es ist egal, alles muss fotografiert werden. Nach jeder Kurve möchte ich rufen,
halt, aussteigen, ich muss fotografieren. Kolumbien ist ein einziger Fototermin.
Wir schlängeln uns jetzt dem Rio Magdalena entlang, den wir bei unserem Rundflug von
oben bewundern konnten.
In einem Dorf in der Nähe von San Agustin wurde Gerardo geboren.
Wir fahren jetzt an den Ort, der bis zu seinem fünften Lebensjahr seine Heimat war.
Seine Eltern hatten in San Agustin ein Hotel. Das Hotel „Yalconia“ war beliebt
bei den vermögenden Touristen aus den USA und aller Welt, dann wurde es interessant
für die Guerilleros.
Als seine Eltern die Nachricht erreichte, dass Entführungen von Mitgliedern ihrer
Familie geplant seien, wurden über Nacht die Koffer gepackt und die Familie floh
nach Deutschland, in die Heimat seines Vaters. Das liegt jetzt fünfzig Jahre zurück,
es war die Zeit, als der Guerillakrieg in Kolumbien sich formierte, die Violencia,
die Gewalt. Jetzt wird um den Frieden gerungen.
Auch Gerardo ringt für sein erstes Heimatland um den Frieden, der Krieg hat auch
sein Leben und das Leben seiner Familie bestimmt und verändert.
Es ist eine Friedensreise auf allen Ebenen, die wir gemeinsam unternehmen.
Frieden beginnt in unserem Herzen.
Unser Hotel in San Agustin ist eingebettet in die Landschaft, es steht auf einer
Anhöhe, wir haben den Blick über das Tal. Jedes Zimmer ist ein Haus für sich,
verstreut über das Gelände und vor jedem Haus hängt die Hängematte. Wunderbar.
Wir schaffen noch den Abstieg in den Ort und gehen essen. Gerardo geht weiter und
noch um eine Ecke, wir sind schon zu müde und gehen doch mit, dann finden wir ein
Restaurant, das besonders einladend wirkt. Es ist wieder so eine Art
Familienzusammenführung. Der Koch und Eigentümer hat bei der Oma von Yessica
im Hotel „Osoguaico“ gelernt.
Habe ich das schon erzählt? Yessicas Oma hatte auch ein Hotel in San Agustin.
Vor Ausbruch der Violencia war San Agustin ein beliebter Touristenort. Die ersten
Statuen waren bereits entdeckt. San Agustin ist reich an Kulturschätzen, ganz
einfach deshalb, weil es die Spanier nicht mehr bis in dieses Tal geschafft haben. Sie
dachten, dass es dort wohl nichts mehr gibt. Das war eine Täuschung und so gibt es
den Archäolgischen Park, in dem die Statuen stehen. 1500 Statuen wurden bisher
entdeckt, gefunden, man vermutet noch mehr. Manche Statuen wurden auseinander
gehauen, auf der Suche nach verborgenem Gold und Edelsteinen. Auch die
Nachfahren der spanischen Eroberer und vielleicht noch viel mehr Menschen außer
den Muiscas in Kolumbien wurden vom Fieber nach Gold angesteckt.
1962 ging Yessicas Oma, Maria Kümmerle nach Kolumbien, in Deutschland
herrschte noch Arbeitslosigkeit und sie musste Geld für ihre zwei Kinder verdienen.
Sie hat das Geld nach Deutschland geschickt und blieb in Kolumbien. In San Agustin
hat sie das Hotel „Osoguaico“ aufgebaut, in dem Yessica aufgewachsen ist und in
dem der Wirt unseres ersten Abends in San Agustin gelernt hat. Wir genießen das
Essen, Maria Kümmerle war eine strenge Ausbilderin, das spürt man. Der Koch hatte
seine Küche in einem tadellosen Zustand. Wir fühlen uns alle wie nach Hause
gekommen.
San Agustin, La Mascara Zeremonie
Bildervortrag von Gerardo Laempe, Abenteurer & Coach
An dem Hotel von Yessicas Oma fahren wir vorbei, vielmehr wir halten kurz an und
besichtigen, was es noch zu besichtigen gibt. Auch die Oma musste von jetzt auf
gleich verschwinden, die Guerrilleros verlangten Schutzgeld, doch da gab es schon
keine Touristen mehr. Die Zeit, als sie mit den Touristen zu Pferd zu den Statuen ritt,
war vorbei. Sie ging mit Tochter und Enkelin nach Bogota. Das Hotel hat andere
Betreiber gefunden, die Violencia schuf ihre eigenen Gesetze. Inzwischen hat
Yessicas Familie das Grundstück verkauft. Was der neue Eigentümer machen will, ist
unbekannt. Im Swimmingpool des Hotels, der damals vom Vater Gerardos gebaut
wurde, wächst weiter das Gras. Wir fahren weiter zu den Statuen. Inzwischen gibt es
eine Straße, die sehr langsam befahrbar ist.
Die Statue, die wir als erstes besuchen, „La Mascara“ ist in Quebradillas.
Dieser eine Kilometer, der angegeben ist, stimmt nicht so ganz, wir sind bestimmt
noch zwei oder drei Kilometer über die Schlaglöcher entlang geschlichen.
Hier gibt es einen Dokumentationsfilm zur Zeremonie:
http://vimeo.com/laempe/mascara
Am Nachmittag, nach der Zeremonie, in der Hängematte im Hotel.
Nebenan wird gehämmert, eine Bohrmaschine läuft, ein Pärchen aus
Frankreich lernt spanische Vokabeln, irgendwo spielt Musik, die Grillen
zirpen, es bewölkt sich, ein Vogel sucht sein Nest, ich habe elektronische
Heimatpost erledigt, liege in der Hängematte. Eva-Maria, Sylvia und Yessica
gehen einkaufen, Ariel und Jonny trinken ein Bier, Gerardo ruht sich
aus, Frieden. Innerer Frieden.
Einfach Frieden, nichts weiter als Frieden. Es berührt mich so,
dieser Frieden. Man kann den Frieden packen, spüren, er ist so was
von greifbar. Die Wolken ziehen im Frieden.
Beim Frühstück heute morgen haben wir uns darüber unterhalten, dass
Streit süchtig machen kann. Eva erzählte von einer Frau, die wegen den
Gartenzwergen des Nachbars Streit anfing, gerichtlich vorging.
Wir sind mitten in einem Land, das vor drei Tagen über den
Friedensvertrag abgestimmt hat. Das Ergebnis war knapp, es gab viele
Jas, es gab aber auch viele Neins, mehr Neins. In diesem Land erleben
wir den tiefsten Frieden, einen glückseligen Frieden.
Wir reisen mit Chauffeure und Bodygards, unsere Chauffeure sind die Bodygards.
Sie lassen uns nicht aus den Augen, auch nicht bei der Zeremonie für den Frieden.
Zu der Zeremonie La Mascara sind wir mit dem Auto gefahren,
acht Kilometer außerhalb von San Augustin. Wir waren zwei Stunden unterwegs.
Eine Straße, die fast keine Straße ist und das Auto an seine Grenzen bringt.
Die Statuen sind eingezäunt. Vor ein paar Jahren war das noch nicht so, erzählt Gerardo.
Um das Grundstück ist ein Stacheldrahtzaun gespannt, man kann sich reinzwängen
zwischen zwei Stacheldrahtpfosten, dann gibt es einen betonierten Weg zum nächsten Zaun,
dahinter stehen die Statuen. An diesem Platz stehen drei Statuen.
Die Abzäunungen haben den Platz zum Tempel gemacht.
Gleich beim Eingang, noch am Stacheldrahtzaun steht rechts ein Stein. Es ist ein
Schaltstein, er hat Eva angesprochen. Eva hat sich selbst gewundert,
warum sie nicht wie die anderen zu den Statuen ging, sondern zu diesem
Stein rechts an der Seite. Ich selbst habe den Stein gar nicht
gesehen. Wir haben bei dem Stein unsere Taschen abgelegt, aber als
Gerardo gesagt hat, dass dieser Stein ein Schaltstein ist, wurde alles auf
die andere Seite geräumt. Vor dem Schaltstein hat Eva ein kleines Loch
gegraben, für die Samen später am Ende der Zeremonie.
Ich ging zu den drei Statuen, sie haben einen Bretterzaun und ein Dach bekommen.
Ich konnte sie also nicht berühren, man kann nicht mehr direkt zu ihnen.
Das war letztes Jahr noch nicht so, sie haben jetzt ihren Schutzraum und wir haben
das akzeptiert.
Niemand weiß was über die Statuen und von den drei Statuen wissen die
Leute bis heute nichts, also nur wenige wissen, dass dort an dieser Stelle
drei Statuen stehen, das Hinweisschild zu ihrem Platz war völlig
zugewachsen. Die Bauern, die hier leben, kennen natürlich die drei Statuen,
sie haben ihre Felder drum herum, aber bei den Touristen hat es sich noch nicht
herumgesprochen. Nicht mehr. Der Krieg hat die Touristenströme momentan
gestoppt. Dies wird sich nach der Zeremonie verändern. Kolumbien wird wieder neu entdeckt.
Zur Herkunftsgeschichte von Gerardo Joaquin Laempe
Vor fünfzig Jahren haben die Eltern von Gerardo und Yessica in
ihren Hotels, Yalconia und Osoguaico, die Touristen versorgt.
Yessicas Oma und Mutter, hatte ein wunderbares Hotel, namens Osoguaico
mit deutscher Küche, in der Auffahrt zum archäologischen Park von San Agustin.
Gerardos Mama (Kolumbianerin) und Papa Don Joaquin (Deutscher) sind mit Ihren
Gästen zu den Statuen ausgeritten. Die Touristen waren reiche Reisende, die sich so
ein Abenteuer leisten konnten.
1913 wurden die Statuen erst richtig freigelegt. Auch ein Deutscher, Theodor Preuss
hat dabei entscheidend mitgeholfen. Es ist immer noch so ein Frieden.
Die Grillen zirpen, die Sonne ist fast untergegangen, ein paar Motorräder fahren herum,
es wird recht schnell dunkel.
San Agustins geheimnisvolle Kultur
Die Statuen stammen nachgewiesen aus der Zeit zwischen 200 v.C. bis 700 n.C. Es ist
die klassische Zeit dieser Kultur, die nach ihrem Fundort benannt wurde, San Agustin-
Kultur. Sie existierte schon ab 3 300 v.C. und bis ins 16. Jahrhundert n.C.
Was war hier los vor zwei- oder dreitausend Jahren?
Die Statuen waren in der Erde verbuddelt, nein vergraben, sie sind im
Laufe der Jahrtausende immer tiefer in die Erde gesunken. Bei dem Freischaufeln
hat Konrad Theodor Preuss auch ein paar Statuen nach Deutschland
geschafft, nach Berlin. Ein Wahnsinnsunternehmen. So eine Statue wiegt ein paar
Tonnen, sie ist aus Stein gemeißelt, zwischen zwei und bis zu vier Meter hoch, etwa ein
Meter breit. Man musste sie erstmal zum Schiff bringen, von San Agustin
bis zur Karibik sind es 1800 Kilometer. Wahrscheinlich habe sie die
Statuen auf Pferdewagen gezogen und dann auf dem Rio Magdalena weiter befördert.
Wie gesagt, wir wissen nicht viel über die Statuen, wir wissen noch nicht
mal, ob sie männlich oder weiblich sind.
Bei unserer Zeremonienstatue La Mascara sage ich, sie ist weiblich.
Gerardo meint das auch. Diese Statuen wurden nach mathematischen Gesetzen
aus dem Stein gehauen, ihre Proportionen unterliegen exakt dem Goldenen Schnitt,
1 zu 2 zu 3 zu 5 zu 8 zu 13 zu 21 zu 34 zu 55 zu 89 zu 144.
Die Gesetzmäßigkeiten der berühmten Fibonacci-Spirale oder Fibonacci-Sequenz (Folge). Ebenso ist die Zahl Pi ist in der Statue enthalten und vieles mehr offenbart sich uns.
Sie trägt eine Maske, so wie die Goldmasken, die im Goldmuseum
in Bogota ausgestellt sind. Die Maske der Statue war in den fernen Zeiten vergoldet,
sie trägt auf dem Kopf eine Art Haube und sie hat den Kinnbart, wie ihn auch die
Pharaonen in Ägypten tragen. Ihre Finger sind ineinander verschränkt, es sind
jeweils vier Finger, die Daumen sieht man nicht.
Die Frage ist, kann man mit einer Statue Kontakt aufnehmen und wenn ja,
mit wem haben wir Kontakt aufgenommen? Es ist so, die Statue teilt uns etwas mit,
sie repräsentiert eine Botschaft. Nur welche?
In der Statue ist etwas enthalten, das wir verstehen wollen. Wir sind nicht die ersten,
die so eine Botschaft spüren. Nach der Entdeckung der Statuen wurden manche
aufgehauen, zerschnitten, auseinander gebrochen. Man vermutete Schätze, Gold,
die in den Statuen versteckt seien. Da war aber nichts außer massiver Stein und die
Archäologen haben die Statuen wieder zusammengeflickt. Es ist ein anderer Schatz,
eine andere Botschaft, die in der Statue noch enthalten ist.
Sie ist älter als wir und sie weiß mehr, als wir.
Was weiß sie?
In ihrer mathematischen Präzision repräsentiert sie ein natürliches
Ordnungssystem, das Gegenteil von ‚macht euch die Erde untertan’ aus
dem Alten Testament. Es ist eine eigene Sprache, die die Statue spricht
und zu dieser Sprache suchen wir den Code, die Übersetzung.
Gerardo bereitet die Zeremonie vor.
Es ist die Vorbereitung für eine Kommunikation in dieser Sprache.
Eine andere Kommunion, eine andere Art der Verbindung zu allem, was ist.
Diese Sprache wird in einer übergeordneten Welt gesprochen, in der Natur.
Die Ur-Sprache des Seins.
Es ist wichtig, mit einer Absicht in eine Zeremonie zu gehen. Schon beim Frühstück hat
uns Gerardo den Auftrag gegeben, unsere Absicht für die Zeremonie zu formulieren.
Dabei stellt sich mir wieder die Frage: Was ist die eine und reine Absicht?
Eine Absicht ist eine klare Zieldefinition. Eine Absicht ist ein Wunsch.
Eine Absicht ist eine Schöpfung. Mit der Formulierung der Absicht werde ich zum Schöpfer.
Am Anfang war das Wort.
Die Absicht besteht auf verschiedenen Ebenen. Es gibt die Ebene für uns selbst, was
wünsche ich mir für mein Leben. Die zweite Ebene ist die Ebene für das Du, was
wünsche ich mir für mein Gegenüber, meine Beziehung, meine Familie. Die dritte
Ebene ist das Wir. Für uns war es der Frieden in Kolumbien und für die Welt.Natürlich
bedeutet das auch der Frieden in meiner Familie, in meinen Beziehungen und der
Frieden mit mir selbst. Das ist vielleicht das Wichtigste, der Frieden mit mir selbst.
In der Natur bestimmt der Goldene Schnitt das Wachstum, die Statuen wurden nach
dem Goldenen Schnitt aus dem Stein gehauen, das bedeutet, dass vor zwei-, drei- oder
viertausend Jahren den Menschen in dieser Gegen die mathematischen Gesetze des
Goldenen Schnittes vertraut waren. Mein Körper als Teil der Natur ist ebenfalls nach
dem Goldenen Schnitt gebaut.
Was ist der Goldene Schnitt in meinem Handeln?
Handeln nach dem Goldenen Schnitt würde bedeuten in Übereinstimmung
mit der Natur, aber wie könnte das gehen?
Für die Zeremonie bei der Statue haben wir die fünf Elemente eingeladen.
Wir sollten uns selbst darauf einigen, welches Element wer verkörpert. Eine eigenartige
Aufforderung von Gerardo, ich weiß erst überhaupt nicht, wie das gehen soll, denke
aber gleichzeitig an das Feuer, an Wärme. Ich friere in letzter Zeit dauernd und sehne
mich nach mehr Feuer. Ich frage Eva, ob sie Erde sei, aber Eva antwortete spontan:
„Nein, das ist doch Silvia.“ Natürlich, Silvia ist Erde, sie hat eine große Landwirtschaft,
die Erde ist ihr Element. Eva schwankt zwischen Feuer und Wasser. Sie trägt eine
blaue Bluse, damit ist die Entscheidung gefallen. Yessica übernimmt das Element Luft,
es könnte nicht besser passen. Das fünfte Element ist das, was sich aus den vier
Elementen entwickelt.
Erfahre selbst den Dimensionswechsel
auf einer Reise durch Kolumbien.
Mehr%20%C3%BCber%20Kolumbien%20erfahren
Bleiben Sie dran. Falls Sie es noch nicht gemacht haben,
tragen Sie sich hier in einen unserer Reise-Infoletter und Newsletter ein.
Weitere Infos, Fotos und Videos zur Zeremonie gibt es hier >>.
Die Statue La Mascara liegt außerhalb von San Agustin
San Agustin ist heute ein kleiner Ort, der wieder auf Touristen hofft. Vor tausend und
mehr Jahren muss die Gegend dicht besiedelt gewesen sein. Die ersten Statuen
wurden schon im 18. Jahrhundert entdeckt, wissenschaftliche Ausgrabungen und
Untersuchungen wurden erst ab 1914 gemacht, auch von dem Deutschen Konrad T.
Preuss. Inzwischen sind 1500 Statuen registriert, hinzu gerechnet werden müssen die
Statuen, die heimlich verkauft wurden und die Statuen, die noch nicht entdeckt wurden.
Mit Sicherheit liegt da noch einiges im Boden.
1995 wurden die Statuen von San Agustin zum Weltkulturerbe ernannt.
Text: Christa Baisch
Fotos: Yessica Regler
Film: Privat Laempe